Der wohl erste „Schleswig-Holsteiner“ in Japan war der Matrose Jürgen Andersen aus „Tundern im Herzogthum Schleßwig“. Auch wenn er nur einer aus der unbekannten Zahl von Deutschen im Dienst der Niederländischen Ostindien-Kompanie (Verenigde Oostindische Compagnie = VOC) war und weder in Deutschland noch in Japan eine nennenswerte Bekanntheit erlangt hat, soll er hier erwähnt werden, denn er ist die erste „Originalstimme“ eines Schleswig-Hosteiners aus und über Japan.
Andersen verließ die Niederlande am 24. April 1644 als Matrose an Bord der „Wallfisch“ und erreichte Japan am 9. September 1646; Ziel war die „Holländische Logi“ in der kleinen Hafenstadt Firando – Hirado – auf der Insel Kyushu. Wahrscheinlich ist das Schiff allerdings in Nagasaki gewesen und hat an der künstlichen Insel Deshima festgemacht. Seine Reiseerlebnisse sind nachzulesen in: Andersen, Jürgen, und Iversen, Volquard, Orientalische Reise-Beschreibungen, in der Bearbeituung von Adam Olearius, Schleswig 1669. Eine frühere Textausgabedes Japanberichts von Jürgen Andersen findet man unter http://www.wolfgangmichel.web. fc2.com.
Andersen beschrieb seine ersten Begegnungen mit japanischen Soldaten und Beamten und die Erfahrungen im Umgang mit ihnen. Seine Eindrücke von der japanischen Bevölkerung schilderte er mit folgenden Worten:
Dieses Landes Einwohner seynd in gemeinwol proportionierte Leute, von mittelmeßiger Größe, stark von Gliedern, verständig und hoffertig, seynd von Farbe gelblicht, die Weibes Personen aber, welche nicht viel in die Sonne kommen, sondern mehrenteils in Häusern bleiben, seynd so weiß als die Europeer seyn mögen, doch klein von Statur, schwartze Haar, kleine platte eingebogene Nasen fast als wie die Tzinesen. Die Männer lassen die Haare auff dem Kopffe ganz abscheren, etliche auch den Bart, etliche behalten daran gar dünne Haar wie die Tzinesen.
Dann berichtete Andersen über die Kleidung der Japaner und Japanerinnen, über Mut und Religionen und auch über die Portugiesen und die Jesuiten in Japan.
Am 18. September 1646 verließ die „Wallfisch“ Japan, wurde aber in einem Gefecht mit spanischen Schiffen stark beschädigt. Andersen geriet in Gefangenschaft und kehrte nach einer abenteuerlichen Flucht erst Ende 1650 wieder in seine Heimat zurück.
Außer Jürgen Andersen sind offenbar weitere Schleswig-Holsteiner während der japanischen Isolation auf Deshima gewesen. So gibt es Hinweise auf die beiden Ärzte Carel Hendrik Peccator und Hendrik Pettaten, beide aus Schleswig, die sich um 1750 als Ärzte im Auftrag der VOC auf Deshima um die Gesundheit der anwesenden Kaufleute kümmerten. Das Stadtarchiv Schleswig und das Schleswig-Holsteinische Landesarchiv haben keine Informationen über beide Ärzte. Außerdem gibt es einen Hinweis auf den Kaufmann Johan Herman Theling aus Itzehoe, der im November 1723 als Mitglied der Kammer Amsterdam die Niederlande verließ, im Juni 1724 Batavia erreichte, von dort weiter nach Nagasaki reiste und wohl bis 1747 auf Deshima blieb (vgl. hierzu: www.wolfgangmichel.web.fc2.com/serv/histmed/dejimasurgeons.html).
Die VOC wurde 1602 gegründet und beherrschte für etwa 200 Jahre den Ostasienhandel. Aus niederländischen Quellen geht hervor, dass bis etwa 1800 über 4.700 Schiffe von niederländischen Häfen nach Asien gefahren sind, überwiegend mit dem Zielhafen Batavia. Von dort sollen etwa 700 Schiffe weiter nach Nagasaki gefahren sein. Mit den Schiffen sind etwa 1 Million Passagiere – Mannschaften, Soldaten, Kaufleute und sonstige – nach Asien gefahren; davon waren etwa die Hälfte Holländer, die andere Hälfte kam aus dem deutschsprachigen Bereich, insbesondere die Soldaten waren Deutsche. In dem Buch von Roelof van Gelder Das ostindische Abenteuer – Deutsche in Diensten der Vereinigten Ostindischen Kompanie der Niederlande (VOC) 1600 – 1800, (in der Übersetzung von Stefan Häring, Deutsches Schiffahrtsmuseum Bremerhaven, 2004) ist nur Jürgen Andersen ausdrücklich erwähnt.
In der dänischen Quelle Danes in Japan 1868 to 1940 – Aspects of Early Danish-Japanese Contacts, Copenhagen 1984, wird Andersen übrigens als der erste Däne in Japan erwähnt.