Paul Wenneker war als Marineattaché zweimal in Japan, von 1934 bis 1937 und von 1940 bis 1947. Seine Aufgabe an der deutschen Botschaft in Tokyo während seines ersten Aufenthaltes waren die Wiederaufnahme und Pflege der durch den ersten Weltkrieg abgerissenen Beziehungen zur japanischen Marine. Während seines zweiten Aufenthaltes nahm er die typischen Aufgaben eines Marineattachés wahr, eine insbesondere im dienstlichen Verkehr mit Japanern keine leichte Aufgabe, wie er in seinen Tagebuchnotizen schrieb.
Paul Wenneker wurde am 27. Februar 1890 in Kiel geboren. Nach der Schule und nach der Ausbildung an einer Kadettenschule trat er am 1. April 1909 in die Marine ein. Sein erster Einsatz im ersten Weltkrieg auf dem kleinen Kreuzer „Mainz“ fand ein schnelles Ende, denn bereits 1914 wurde sein Schiff in der Nordsee versenkt, und so kam Wenneker in englische Gefangenschaft. Später wurde er in ein Lager in den Nieder-landen verlegt, wo er bis zum Kriegsende interniert war.
Nach dem Krieg war er zuerst Lehrer an der Schiffsartillerieschule in Kiel, und nach mehreren Kommandos auf verschiedenen Schiffen wurde er im Jahr 1934 im Rang eines Korvettenkapitäns als Marineattaché an die deutsche Botschaft in Tokyo kommandiert. Nach seiner Rückkehr 1937 übernahm er als Kapitän zur See das Kommando auf dem Panzerschiff „Deutschland“, das überwiegend im Spanieneinsatz operierte. Im Dezember 1939 wurde er erneut nach Tokyo beordert, wo er mit seiner Familie an seinem 50. Geburtstag am 27. Februar 1940 eintraf. Auf diesem Posten wurde er zum Admiral und zum „Deutschen Admiral Ostasien“ ernannt. Für seine Verdienste in der deutsch-japanischen Marine-Zusammenarbeit wurde er vom japanischen Kaiser mit dem höchsten japanischen Orden für Ausländer ausgezeichnet.
Die Daten zu seinem militärischen Lebenslauf hat freundlicherweise das Deutsche Marinearchiv zur Verfügung gestellt. Über seine beiden Japanaufenthalte hat Wenneker Aufzeichnungen hinterlassen, die seine Familie dem Deutschen Marinearchiv überlassen hat (vgl. auch Berichte im Internet).
Von seinem ersten Japanaufenthalt hat Wenneker nicht viel berichtet; über seinen militärischen Auftrag hinaus notierte er: Obgleich es gelang, mit einzelnen japanischen Seeoffizieren in engere Verbindung zu treten, war die Aufgabe bei dem bekannten starken Mißtrauen gegenüber allen Ausländern sehr erschwert…Mit der deutschen Gemeinde verbanden mich nur lose Kontakte und mit der Partei hatte ich so gut wie keine Fühlung.
Über seinen zweiten Aufenthalt hat Wenneker ausführliche Notizen hinterlassen; er begann seinen Bericht mit einem vorgezogenen Fazit: Während der 2 1/2 Jahre meiner Abwesenheit hatten sich die Beziehungen Deutschlands zu Japan nur wenig verändert….Im persönlichen Verkehr waren die Japaner etwas freundlicher…Dienstlich bestand aber nahezu dasselbe Mißtrauen wie zuvor. Wenneker beklagte sich heftig über die militärische Zusammenarbeit: Auf diesem Gebiet waren die Japaner verständlicherweise sehr verschlossen. Niemals sind bevorstehende Operationen der japanischen Marine mit mir besprochen oder auch nur Andeutungen gemacht worden. So habe ich nichts von der Absicht, Pearl Harbour anzugreifen, gewußt. Wegen weiterer Klagen und Beschwerden vgl. auch Peter Janocha, Spurensuche…
Wenneker äußerte sich auch zu seinem Verhältnis zur Partei und zu deren Vertretern in Japan, zu dem NSDAP-Landesgruppenleiter Franz Joseph Spahn und zu Botschafter Heinrich Georg Stahmer. Wegen eines unterstellten Mangels an nationalsozialistischer Gesinnung betrieben sie in Berlin Wennekers Ablösung, allerdings ohne Erfolg.
Nach Kriegsende wurde das Botschaftspersonal interniert. Wenneker blieb als dienstältester Offizier in der Botschaft. Im Jahr 1947 kehrte er im Rahmen der Repatriierung aller Deutschen in die Heimat zurück und wohnte in Bergstedt in der Nähe von Hamburg. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er als Vertreter für die Tapetenfabrik seines Bruders. Am 17. Oktober 1979 starb Paul Wenneker in seinem Haus in Bergstedt und wurde auf seinen Wunsch auf See beigesetzt.
Gleichzeitig mit Wenneker hielten sich weitere Marinesoldaten aus Schleswig-Holstein in Japan auf, die erwähnt werden sollen, weil sie über längere Zeit im Zuständigkeitsbereich von Wenneker gearbeitet haben. Es waren Fritz Mansfeld aus Ornum bei Eckernförde und Hans Petersen aus Rendsburg.
Mansfeld* erreichte Kobe im März 1943 mit dem Hilfskreuzer „Michel“ und wurde 1944 dem Stab von Wenneker zugeteilt. Wenneker hatte seinen Dienstsitz in Kamakura, hielt sich aber überwiegend in der deutschen Botschaft in Tokyo auf. Mansfeld wurde häufig als Kurier zwischen Tokyo und Kobe eingesetzt und wurde Augenzeuge des verheerenden Bombenangriffs auf Kobe am 5. Juni 1945, allerdings aus sicherer Entfernung von den Rokko-Bergen über Kobe.
Petersen hat im Stab von Wenneker als Funker gearbeitet und eine Japanerin geheiratet; seine Tochter ging mit einem Kind von Wenneker in die deutsche Schule in Yokohama. Er kehrte wie die anderen 1947 nach Schleswig-Holstein zurück und wohnte in Rendsburg. Mit seiner Frau war er viele Jahre Mitglied der DJG Schleswig-Holstein und hat mir gelegentlich über sein Leben in Japan erzählt; allerdings wollte er seine Geschichte nicht aufschreiben.
* vgl. Peter Janocha, Spurensuche…S. 108ff und Gelebte Zeitgeschichte – Alltag von Deutschen in Japan 1923-1947, herausgegeben von Franziska Ehmcke und Peter Pantzer, Iudicium-Verlag München 2000, S. 166-179