Am 1. Januar 1868 wurde das Fischerdorf Kobe offiziell für Ausländer geöffnet. Es war praktisch ein Ersatzangebot der Japaner für den Hafen Hyogo, der zwar schon seit 1862 für ausländische Kaufleute zugänglich war, aber wegen zu geringer Wassertiefe und anderer Probleme nicht angenommen wurde. Unter den Ausländern, die sich am 1. Januar dort einfanden, um sich in dem für Ausländer vorgesehenen Gebiet ein Grundstück zu sichern, waren auch die Kaufleute Charles Braess aus Lübeck und August Evers aus Hamburg. Informationen über das Leben der ersten Deutschen in Kobe, insbesondere über Charles (auch Chas) Braess und August Evers, haben wir von Otto Refardt. Refardt kam im Jahr 1905 von Hannover nach Kobe, war langjähriges Mitglied der Japanisch-Deutschen Gesellschaft Kobe und ist in Kobe im Jahr 1982 im Alter von 99 Jahren gestorben. Seine Erinnerungen an das Leben im frühen Kobe hat er in der Schrift Die Deutschen in Kobe – Erinnerungen an Alt-Kobe festgehalten.*
Braess wurde im Jahr 1842 in Lübeck geboren. In jungen Jahren fuhr er als Schiffsjunge auf einem Segler nach Australien, wo er einige Jahre blieb. Als sich Japan dem Westen öffnete, zog es ihn auch dorthin, und so kam er 1865 nach Nagasaki, wo er auf der Insel Deshima für die deutsche Pionierfirma Gaymans & Co. arbeitete. Dort traf er übrigens mit dem oben erwähnten Arthur Richard Weber zusammen. Nach einem kurzen Aufenthalt in Osaka gehörte er zu den ersten Deutschen, die am 1. Januar 1868 nach Kobe gingen. Dort wurde er, übrigens zusammen mit August Evers, der im Auftrag von Kniffler & Co. von Nagasaki nach Kobe geschickt wurde, ein angesehener und einflussreicher Kaufmann.
Gemäß der deutschen Tradition gründete Evers (rechtes Bild) bereits im Juli 1868 den ersten deutschen „Club Union“ und wurde sein erster Präsident. Außerdem war er preußischer Konsul und Repräsentant des Deutschen Bundes. Als später der Club aufgelöst werden musste und 1879 der „Club Concordia“ gegründet wurde, wurde Braess erster Präsident. Außerdem war Braess Honorarkonsul der Niederlande, von Schweden, Norwegen und Dänemark. Braess starb im Jahr 1911 in Kobe und wurde dort auf dem Ausländerfriedhof beigesetzt.
Braess war wie Evers Zeitgenosse von Weber, und sie waren vor 1868 gemeinsam in Nagasaki auf Deshima. Weber schrieb in seinem Buch Kontorrock und Konsulatsmütze über die Streiche, die sie gemeinsam zum Zeitvertreib getrieben hatten; Weber nannte Braess in dem Buch „Groth“. Außerdem wird Braess nachgesagt, dass er die europäischen Kartoffeln von Australien nach Japan gebracht haben soll, da ihm die japanischen Süßkartoffeln nicht schmeckten.
* Quelle: Die Deutschen in Kobe (Alt-Kobe), Verfasser Otto Refardt 1956, Herausgeberin und Übersetzung ins Japanische Mitsuko Tanaka 2008