Seit etwa 1895 kühlten sich die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan ab. Auslöser war der Friedensvertrag von Shimonoseki (Japan) 1895, mit dem der erste japanisch-chinesische Krieg 1894/95 abgeschlossen wurde. Japan hatte sich etliche Gebiete Chinas gesichert, so z.B. Taiwan. Insbesondere die Großmächte Frankreich und Russland fürchteten um ihre Interessen in China, und auch Deutschland strebte nach einem Stützpunkt in Ostasien, und so setzten sie durch, dass Japan einige der besetzten Gebiete zurückgab, z.B. die Halbinsel Liaodong. England und die USA verhielten sich neutral.
Deutschland nutzte die Ermordung zweier Missionare, um am 14. November 1897 die zur Halbinsel Shandong gehörende Bucht von Kiautschou durch deutsche Marinesoldaten besetzen zu lassen. Am 6. März 1898 wurde in Peking ein Pacht-vertrag unterschrieben, der dem deut-schen Reich für 99 Jahre die Abtretung von Kiautschou und die Vertretung deutscher Interessen in der Provinz Shan-dong garantierte; zu dem Pachtgebiet gehörte auch der kleine Hafen Tsingtau. Den Ausschlag für die Wahl von Kiautschou hat wohl die Empfehlung des Kieler Hafenbaudirektors Georg Franzius gegeben, der zuvor China bereist und seine Ergebnisse in dem Reisebericht Kiautschou – Deutschlands Erwerbung in Südostasien festgehalten hatte. Deutschland baute den Hafen Tsingtau zielstrebig zum „deutschen Platz an der Sonne“ aus. Marinesoldaten aus Deutschland sorgten für die Sicherheit, die eigentlich nicht gefährdet war. Nach einer meist dreijährigen Dienstzeit in Tsingtau kehrten sie nach Hause zurück. Ein unbekannter Soldat aus Schleswig-Holstein brachte ein seidenes Tuch mit einer Frühansicht von Tsingtau mit, offenbar ein beliebtes Souvenir; durch die lange Lagerung irgendwo hat es leider deutlich gelitten. Über das Leben in Tsingtau gibt es ausreichende Literatur; ein frühes Buch wurde von dem Kieler Hans Weicker mit dem Titel Kiautschou – Das deutsche Schutzgebiet in Ostasien geschrieben (Verlagsbuchhandlung Alfred Schall, Berlin 1908); er war als Pfarrer des Kreuzergeschwaders in Ostasien von 1904-1906 dort.
Als der erste Weltkrieg ausbrach, wurden Deutschland und Japan Kriegsgegner. Japan hatte 1902 mit England ein Beistandsabkommen geschlossen. England war natürlich an Kiautschou interessiert und forderte Japan auf, Beistand zu leisten, und so erklärte Japan am 23. August 1914 Deutschland den Krieg. Die etwa 2.800 Soldaten und Offiziere, die für die Sicherheit Tsingtaus sorgen sollten, konnten zwar durch die Mobilisierung von in Asien lebenden und arbeitenden Deutschen auf etwa 4.700 Mann aufgestockt werden, aber diese Truppe war der japanischen Invasionsarmee von etwa 35.000 Soldaten hoffnungslos unterlegen, und so kapitulierte Gouverneur Meyer-Waldeck am 7. November 1914. Am 14. November, also auf den Tag genau 17 Jahre nach der Besetzung von Kiautschou, verließen etwa 4.700 Soldaten und Offiziere den „deutschen Platz an der Sonne“ und wurden auf Schiffen in die Kriegsgefangenschaft nach Japan transportiert. Dort wurden sie vorerst auf 13 provisorische Auffanglager verteilt, bis später sechs feste Barackenlager gebaut wurden. Das größte Lager war Kurume auf der südlichen Insel Kyushu, das bekannteste war Bando auf der Insel Shikoku.
Unter den Kriegsgefangenen befanden sich auch etwa 220 Soldaten aus Schleswig-Holstein, die überwiegend namentlich und mit ihrem Herkunftsort bekannt sind. In meiner Broschüre Wie kamen schleswig-holsteinische Soldaten in japanische Kriegsgefangenschaft 1914 bis 1920? befindet sich eine Liste aller Soldaten. Das Buch ist die Nacharbeit der Ausstellung Alle Menschen werden Brüder – deutsche Kriegsgefangene in Japan 1914 bis 1920, die von der OAG in Tokyo zusammengestellt worden war. Die Deutsch-Japanische Gesellschaft Schleswig-Holstein zeigte diese Ausstellung im Mai 2011 im Kieler Landeshaus als Beitrag zu den Feierlichkeiten und Veranstaltungen aus Anlass des 150jährigen Jahrestages der Unterzeichnung des deutsch-japanischen Freundschaftsvertrages am 24 Januar 1861. Wir ergänzten die Ausstellung um 16 Portraits von Schleswig-Holsteinern; die Informationen haben wir in enger Zusammenarbeit mit noch lebenden Söhnen oder Töchtern oder mit Enkelkindern zusammengetragen. Während der Ausstellung lernten wir Angehörige von acht weiteren Soldaten aus Schleswig-Holstein kennen, so dass in meiner Broschüre insgesamt 24 „Schleswig-Holsteiner“ von den etwa 220 Soldaten vorgestellt werden konnten. Es gibt also noch ausreichende Gelegenheiten zu weiteren Nachforschungen. Ein Ansatzpunkt ist ein Foto, das ich aus dem Nachlass des Kieler Soldaten Arthur Paulsen erhalten habe; es zeigt 26 Soldaten aus Schleswig-Holstein mit Bild und Namen, die im Lager Kurume interniert waren. Von diesen Soldaten sind Hans Gallinat, Arthur Paulsen und Johannes Blöhse in meiner Broschüre vorgestellt worden, über Hans Greve gibt es zwar einige Informationen, aber ich habe keine Angehörigen gefunden, die die Informationen konkretisieren konnten.
Soweit mir bisher bekannt, haben drei Schleswig-Holsteiner in Japan mehr oder weniger deutliche und nachhaltige Spuren hinterlassen, und zwar
- Hans Millies aus Dagebüll
- Hermann Richard Hansen aus Glücksburg
- Helmut Ketel aus Wedel
Sie werden auf den folgenden Seiten vorgestellt.