In den ersten Nachkriegsjahren waren Deutschland und Japan mit der Überwindung der Kriegsfolgen beschäftigt. Für Kontakte zwischen beiden Staaten und Völkern gab es weder einen institutionellen Rahmen noch ein gesteigertes persönliches Interesse. Japan erhielt durch den Friedensvertrag von San Francisco im Jahr 1952 seine Souveränität zurück. Deutschland musste noch bis 1955 warten, erhielt aber schon 1951 das Recht, diplomatische Vertretungen im Ausland zu errichten. Am 28. Juli 1952 nahmen Deutschland und Japan wieder diplomatische Beziehungen auf, und am 8. Mai 1955 trat der erste deutsche Botschafter Dr. Hans Kroll seinen Dienst in Tokyo an und löste den seit 1952 amtierenden Geschäftsträger Dr. Heinrich Northe ab. Bereits seit April 1952 war Kohei Teraoka japanischer Botschafter in Bonn.
Mit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen erwachte auch das Interesse einzelner Personen an einer Kulturarbeit über und mit Japan. Kernzelle dieser Aktivitäten war die Deutsch-Japanische Gesellschaft Berlin, die bereits 1928 gegründet wurde und auch während des Krieges weiter bestanden hatte. Auf einer Mitgliederversammlung am 23. Juni 1952 konstituierte sie sich neu. Als sich am 22. Juli 1952 auch die Japanisch-Deutsche Gesellschaft Tokyo neu gründete, gab es auch wieder einen Partner für einen Kulturaustausch. Schon vor dem Krieg hatte die „Muttergesellschaft“ Berlin Zweigstellen errichtet, so z.B. in Leipzig und Breslau, die auch noch viele Jahre nach Kriegsende formal als Zweigstellen von der DJG Berlin abhängig waren. Zur Geschichte der DJG Berlin und der Deutsch-Japanischen Gesellschaften vgl. Die Deutsch-Japanischen Gesellschaften 1888 bis 1996, herausgegeben von Dr. Günther Haasch, Edition Colloquium 1996.
Im Jahr 1954 beauftragte der Präsident der DJG Berlin Robert Matthiass den Historiker Georg Kerst, in Kiel eine Zweigstelle zu errichten. Als im Jahr 1955 Kiel der Heimathafen der jungen Bundesmarine wurde, war es für die „Mutter“ Berlin nahezu eine Selbstverständlichkeit, in Kiel eine Zweigstelle zu haben, zumal zwischen den älteren Marineoffizieren in Kiel und den pensionierten Admirälen, die in den 1930er Jahren die Gesellschaft in Berlin geleitet hatten, gute persönliche Kontakte bestanden. Eine kleine Gruppe bekannter Persönlichkeiten in Kiel und der japanische Generalkonsul in Hamburg Taro Tokunaga waren durchaus interessiert, lehnten aber die Errichtung einer Zweigstelle ab und bestanden auf der Gründung einer von Berlin unabhängigen selbständigen Gesellschaft. Und so wurde am 7. Februar 1955 in Kiel die erste von der DJG Berlin finanziell und organisatorisch unabhängige DJG gegründet. Die Gründungssatzung wurde am 24. Oktober 1956 auf einer Mitgliederversammlung beschlossen, und am 8. Februar 1957 erfolgte die Eintragung ins Vereinsregister beim Amtsgericht Kiel.
Für nähere Informationen vgl. Peter Janocha, Spurensuche… und Peter Janocha 50 Jahre Deutsch-Japanische Gesellschaft Schleswig-Holstein 1955 bis 2005, Kiel 2005, Selbstverlag.
Mit der Gründung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Nord-West-Deutschland – so war seinerzeit der Anspruch der Gründer – begann in Schleswig-Holstein mit dem Schwerpunkt Kiel und Umland die Information über und die Beschäftigung mit Japan. Allerdings waren es die Bürger das Landes, die mehr über Japan erfahren wollten; die Landesregierung wandte ihr außenwirtschaftliches Interesse erst viel später dem potenziellen Handelspartner im fernen Osten zu. Erst ab Mitte der 1970er Jahre begannen die japanischen Exportoffensiven auf Europa zuzurollen, und damit wuchs bei der Bundesregierung und in den Ländern die Erkenntnis, dass man sich mit dem japanischen Markt intensiver beschäftigen muss. Als Konsequenz stellte sich Deutschland im Frühjahr 1984 mit einer breit angelegten deutschen Leistungsschau in Tokyo vor, an der sich alle Bundesländer beteiligten.
In der zentralen Eingangshalle auf dem Harumi Messegelände im Tokyoter Hafen präsentierten sich die Bundesländer in einem großen Kreis mit überdimensionierten „Litfaßsäulen“ mit landestypischen Produkten, auch Schleswig-Holstein war dabei. Außerdem waren einige schleswig-holsteinische Firmen auf der Messe vertreten, so die international bekannte Medizintechnik-Firma Dräger aus Lübeck und der „Telefonbauer“ Hagenuk aus Kiel, der das erste schnurlose Telefon zeigte, das von den Japanern sehr bewundert wurde. Zum ersten Mal kam mit Wirtschaftsminister Dr. Jürgen Westphal ein Politiker aus Schleswig-Holstein nach Japan, rechts im Bild im Interview mit Gerd H. Pelletier vor dem Schleswig-Holstein-Stand. Es war während seiner Amtszeit sein einziger dienstlicher Japanbesuch, und so hat Westphal in Japan keine Spuren hinterlassen. Seit 1983 hatte Schleswig-Holstein, wie übrigens nahezu alle Bundesländer, einen Repräsentanten in Tokyo, den ehemaligen Wella-Manager Dr. Dirk Vaubel, der sich als Außenwirtschaftsberater selbständig gemacht hatte.
Die nächsten offiziellen Japankontakte waren zwei Delegationsreisen mit Uwe Thomas 1990 als Staats-sekretär und 1993 als Wirtschaftsminister, allerdings ohne Unternehmer. Die Reiseteilnehmer waren Reprä-sentanten von wirtschaftsnahen Institutionen, denn das zentrale Ziel war die Suche nach japanischen Investoren. Außerdem standen Besuche bei den Muttergesellschaften der in Schleswig-Holstein ansässigen japanischen Firmen auf dem Besuchs-programm. Leider brachten die beiden Besuche nicht den erhofften Erfolg.
Im Jahr 1994 entschloss sich die Landesregierung, ihre Japanpolitik zu revidieren und einen japanischen Partner für eine regionale Zusammenarbeit zu suchen, und sie fand den Partner in der Präfektur Hyogo mit der Hauptstadt Kobe. Im Herbst liefen die Vorbereitungen für eine Delegationsreise an; Reisetermin sollte Ende Juni 1995 sein. Es sollte die erste Unternehmerdelegation unter Leitung der Ministerpräsidentin Heide Simonis sein, und der neue Wirtschaftsminister Peer Steinbrück sollte die Delegation begleiten. Das schreckliche Erdbeben in Kobe am 17. Januar 1995 schien alle Planungen zunichte zu machen, aber nach intensiven Konsultationen mit deutschen und japanischen diplomatischen Stellen entschloss sich Frau Simonis zur Durchführung der Reise. Diese Entscheidung war wichtig und richtig, weil der Besuch in Japan nur ein Teil der bisher größten Delegationsreise der Landesregierung war; neben einem Besuch in der chinesischen Partnerprovinz Zhejiang standen Kontaktaufnahmen mit Indonesien, Singapur, Vietnam und Hongkong auf dem Programm. Der Besuch in Kobe fand also statt, allerdings mit einem anderen Programm als vorbereitet. Mit diesem Besuch begann eine neue Phase der Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Japan; für Einzelheiten vgl. Peter Janocha, Spurensuche… Das Foto links zeigt einen Blick auf den Hafen und die Stadt Kobe.
Die Aktivitäten der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Schleswig-Holstein und die wirtschaftspolitische Orientierung der Landesregierung auf Japan förderten und unterstützten das Interesse öffentlicher und privater Institutionen an Japan, und so entwickelten sich Kontakte zu Japan z. B. bei den Sportvereinen, auf Hochschulebene und im wissenschaftlichen und kulturellen Bereich. Einige Personen, die aus meiner persönlichen Kenntnis an der Entwicklung der Beziehungen zwischen Schleswig-Holstein und Japan mitgewirkt haben, werden auf den nächsten Seiten vorgestellt. Allerdings bin ich sicher, dass es weitere Persönlichkeiten gibt, die bisher meiner Aufmerksamkeit entgangen sind, und so hoffe ich auf Anregungen.