Freya Eckhardt wurde am 26. Juni 1940 als Freya Selig als Tochter von Hans Selig und seiner Frau Rose, geb. Lenz, in Kobe geboren. Mit dem Namen Selig verbinden sich langjährige Beziehungen zu Japan, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen, aber auch zu Schleswig-Holstein. Daher wird dem Lebensweg von Freya Selig ein Exkurs über die Familie Selig und ihre Verbindungen zu Japan vorangestellt.
Gustav Selig sen. – der Großvater von Freya – wurde 1876 auf Schloss Haldem im Landkreis Lübbecke geboren. Nach der Schule und einer Kaufmannslehre ging Gustav Selig nach Berlin und lernte am Orientalischen Seminar der Universität ein Jahr Japanisch. Sein Ziel war, in die Firma Winckler & Co. seines Onkels Ferdinand Dankwerts einzutreten. Im Oktober 1898 trat er die Reise mit dem Dampfsegler „Bayern“ nach Japan an; er hatte mit Winckler & Co. einen sechsjährigen Vertrag unterschrieben. Im Frühjahr 1907 kam er zu einem längeren Heimaturlaub zurück, offensichtlich mit der Absicht, Sophie Dempwolff zu heiraten. Im Jahr 1888 hatten Gustavs Eltern zusätzlich zu ihren insgesamt vier Kindern Sophie nach dem überraschenden Tod ihrer Mutter als Pflegekind aufgenommen. Am 29. Dezember 1907 heirateten die beiden in Lüneburg, und am 11. Januar 1908 verließ die „Hohenstaufen“ mit dem jungen Paar an Bord Hamburg mit dem Ziel Yokohama.
Am 6. September 1910 wurde Sohn Hans – der Vater von Freya – geboren, und knapp zwei Jahre später am 8. Januar 1912 Gustav jun., beide in Yokohama. Während des ersten Weltkrieges blieb die Familie Selig in Kobe, wohin sie 1913 gezogen war. Das Leben war nicht einfach, denn die Firma Winckler wurde behördlich geschlossen, die Mitarbeiter mussten entlassen werden, und das Firmenvermögen wurde zwangsweise verkauft. Erst im Dezember 1920 konnte die Familie Selig nach Deutschland zurückkehren.
Im Jahr 1920 kehrte Ferdinand Dankwerts nach Japan zurück und startete einen Neuanfang mit der Firma Winckler. 1923 folgte ihm Gustav Selig, ein Jahr später seine Frau Sophie. Die beiden Söhne Hans und Gustav jun. blieben bei ihrer Tante Anna, der Schwester von Gustav sen., in Lüneburg. Aber nach Beendigung ihrer Schulzeit zog es beide auch nach Japan. Hans, der ein Internat in Plön besucht hatte, und Gustav jun. nach der Mittleren Reife 1928 trafen 1931 in Kobe ein und begannen Ausbildungen bei Winckler &. Co. Am 10. August 1939 heiratete Hans Selig Rose Lenz in Yokohama; sie wurde in Tientsin/China geboren. Er war mit ihr zusammen 1919 in der deutschen Schule in Kobe gewesen, hatte sie aber danach aus den Augen verloren. Auf einer Deutschlandreise 1939 hatte er sie wieder getroffen und in kurzer Zeit für ein gemeinsames Leben in Japan gewinnen können.
Am 20. August 1938 war Gustav Selig sen. in Yokohama gestorben und auf dem dortigen Ausländerfriedhof beigesetzt worden. Seinen Platz als Teilhaber der Firma Winckler nahm sein Sohn Gustav jun. ein. Hans verließ die Firma und trat in die deutsche Handelsfirma Leybold ein. Am 26. Juni 1940 wurde dem Ehepaar Hans und Rose Selig in Kobe ihre Tochter Freya Erna Sophie geboren. Im Dezember 1944 heiratete Gustav jun. Helga Trapp, die in Niederländisch-Indien mit vielen anderen Deutschen interniert war und auf dem Weg nach Deutschland in Japan hängen geblieben waren.
Während Hans mit seiner Familie im August 1947 auf Verlangen der US- Militärverwaltung in Japan zwangsweise nach Deutschland zurückkehren musste, durfte Gustav mit seiner Frau und seiner Mutter in Yokohama bleiben. 1949 konnte er einen Neuanfang mit der Firma Winckler & Co. wagen, als deutsche Firmen ihre Geschäfte wieder aufnehmen durften. In den folgenden Jahren vergrößerte sich die Familie; im Juli 1950 wurden Ingo, im Mai 1952 Robert und im Dezember 1953 Tochter Toni geboren. Im Februar 1953, nach dem Friedensvertrag zwischen USA und Japan, kehrte Hans Selig mit seiner zweiten Frau nach Japan zurück und arbeitete mit seinem Bruder in der Firma Winckler. Am 26. August 1992 starb Hans Selig in Kobe und wurde auf dem dortigen Friedhof beigesetzt; sein Bruder Gustav Selig jun. war wenige Wochen zuvor in München gestorben. Die Firma Winckler & Co, wurde neben weiteren Teilhabern von Gustav Selig Juniors Söhnen Ingo und Robert weitergeführt; beide waren schon Ende der 1970er Jahre in die Firma eingetreten. Heute ist Robert Selig alleiniger Inhaber und Geschäftsführer; sein Sohn Christopher ist seit einigen Jahren ebenfalls in der Firma tätig und wird wohl die Geschäftsführung übernehmen.
Nun zurück zu Freya Selig. Am 6. September 1946 war ihr erster Schultag; aber sie wurde nicht in der deutschen Schule in Kobe eingeschult, sondern in Hakone, ein Ausflugsort in der Nähe des Berges Fuji. Dort lebten auf Weisung der japanischen Regierung viele Deutsche, die wegen der Bombenangriffe die Großstädte verlassen mussten. Im August 1947 wurde die Familie Hans Selig mit vielen anderen Deutschen zwangsweise mit dem amerikanischen Truppentransporter „General Black“ in die Heimat repatriiert. Unterschlupf fand die Familie vorerst bei der Großmutter Lenz in Hamburg. Dort wurde Freya ein zweites Mal eingeschult; nach dem Schulbesuch ging sie für ein Jahr auf ein Internat am Bodensee und absolvierte anschließend eine Ausbildung als Krankengymnastin und Physiotherapeutin. Danach reiste sie Ende 1961 nach Japan, um sieben Monate bei ihrem Vater und seiner zweiten Frau zu leben. Mit ihrer Großmutter und ihrem Vater kehrte sie im Juni 1962 nach Deutschland zurück. Großmutter und Vater gingen nach kurzer Zeit wieder nach Japan, das nun ihre endgültige Heimat war.
Ende Dezember 1966 heiratete Freya Selig Ernst Dietrich Eckhardt, den Sohn einer befreundeten Familie, die für die Firma Illies & Co. in Japan war und während der Kriegszeit in Karuizawa in den japanischen Alpen gelebt hatte. Dort wurde Ernst Dietrich am 12. August 1934 geboren. Er lebte mit seinen Eltern in Yokohama und wurde dort 1940 in die deutsche Schule eingeschult. Mit der Auslagerung der Schule 1944 wegen der Bombenangriffe nach Karuizawa zogen die Eltern auch dorthin. 1947 wurde die Familie ebenfalls mit dem Truppentransporter „General Black“ nach Deutschland repatriiert.
Die Familie Eckhardt lebte ebenfalls in Hamburg, wo Ernst Dietrich Abitur machte und dann Germanistik und Latein studierte. Im Jahr 1966 wurde er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Freie Deutsche Hochstift im Goethe-Haus in Frankfurt berufen, wo er bis zu seiner Pensionierung 1999 tätig war.
Das Ehepaar Hans-Dietrich und Freya Eckhardt wohnte nach der Hochzeit 1966 in Oberursel; dort wurden auch die beiden Söhne Philipp (1969) und Simon (1973) geboren. Seit 2004 war Ernst Dietrich Eckhardt verantwortlicher Redakteur von „StuDeo“, die Zeitschrift des Vereins Studienwerk Deutsches Leben in Ostasien mit Sitz in München. Freya Eckhardt machte als gelernte Physiotherapeutin 1966 eine Zusatzausbildung zur Bobath Therapeutin, und 1974 erwarb sie noch die Qualifikation zur Hippo-Therapeutin. Außerdem war sie einige Jahre im Vorstand von „StuDeo“ für den Bereich Japan zuständig.
2006 zog das Ehepaar Eckhardt nach Schleswig–Holstein, wo die Mutter von Ernst Dietrich, Ruth Eckhardt, geb. Kritzler, in Bebensee ein kleines Anwesen besaß; Ruth (Kritzler) wurde in Kiel geboren, ihre Eltern wohnten in Schulensee. Im gleichen Jahr traten beide der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Schleswig-Holstein bei und beendeten gleichzeitig ihre Mitgliedschaft in der DJG Frankfurt. Freya Eckhardt war nach ihrem ersten Japanbesuch im Jahr 1962 nach der Repatriierung 1947 immer wieder zu mehrwöchigen Aufenthalten in Japan, so z.B. zur Beisetzung ihres Vaters 1992. Am 1. Juni 2018 nahm sie mit einer Delegation der DJG Lüneburg an der Gedenkaufführung nach 100 Jahren der Erstaufführung der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven im Gefangenenlager Bando durch deutsche Kriegsgefangene in der Stadt Naruto teil.
Ernst Dietrich Eckhardt starb am 31. Juli 2014 in Bad Segeberg im Alter von 80 Jahren.